Backsteingotik
Die Backsteingotik ist eine in Norddeutschland , Nordpolen und Nordeuropa verbreitete Bauweise der Gotik , die an vielen Orten des Ostseeraumes zum Weltkulturerbe erklĂ€rt ist. Schlagwortartig umfasst sie begrifflich auch die ihr vorgehende Backsteinromanik und die ihr nachfolgende Backsteinrenaissance bis in das Barock , da sie allgemein fĂŒr das historische, vermeintlich immer mittelalterliche Stadtbild steht.
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Der Backsteinziegel als Ausgangsmaterial
Bild:Germany Luebeck townhall bricks (detail).JPG Kennzeichen dieser Reduktionsgotik ist der Bau von reprĂ€sentativen GebĂ€uden aus Ziegeln ( Backsteinen ) im sog. Klosterformat (etwa 28×15×9 cm bis 30×14×10 cm mit durchschnittlich 1,5 cm Fuge), da bearbeitbare Materialien ( Haustein ) wie Sandstein oder Ă€hnliches nicht zur VerfĂŒgung standen und ihr Transport aus den SteinbrĂŒchen der Gebirge auch zu aufwĂ€ndig gewesen wĂ€re. So finden sich die ersten Sandsteinvorkommen aus Sicht der norddeutschen StĂ€dte im Weserbergland oder ĂŒber die Ostsee auf den schwedischen Inseln Ăland und Gotland (jeweils Kalkstein ). Der Transport derart schweren Materials ĂŒber Land war zu der Zeit schwierig, der gĂŒnstigere Schifftransport nur entlang der FlĂŒsse oder ĂŒber See möglich. TatsĂ€chlich wurde von Schweden viel Naturstein von den Segelschiffen der Hanse als notwendiger Ballast in die norddeutschen StĂ€dte gebracht und dort in Kirchen (Grabplatten) und im 17.-19. Jahrhundert in den Dielen der BĂŒrgerhĂ€user als Bodenplatten (45×45 cm) verlegt.
Dabei ist anzumerken, dass das Fehlen von Werkstein nicht immer zwangslĂ€ufig zur Ausbildung eines typischen Backstein-Baustils gefĂŒhrt hat. So mangelte es auch in anderen Gebieten, z. B. in Oberbayern und Oberschwaben oft an Baumaterialien. Dort ist jedoch kein charakteristischer Backstein-Stil entstanden. Differenzierte Bauplastik wurde meist in Werkstein ausgefĂŒhrt, hĂ€ufig auch der Backsteinkern mit Werkstein verblendet. (Beispiel: Landshut, St. Martin und MĂŒnchen, Frauenkirche).
Die Backsteingotik in Norddeutschland
In Norddeutschland dagegen breitete sich im Anschluss an die Romanik ab 1200 der typische Baustil aus, den wir als Backsteingotik bezeichnen. Charakteristisch ist hierbei die Materialreduktion: die Bauten sind oft sehr wuchtig, von monumentaler GröĂe, aber Ă€uĂerlich eher schlicht und bei weitem nicht so grazil wie in sĂŒdlichen Gegenden. Dies mag bei den den Westwerken der Kirchen im rauhen Klima Norddeutschlands seine planerischen GrĂŒnde gehabt haben, ist doch die reduzierte, glatte Fassade gegen die Anfeindung der zumeist von Westen kommenden Wetterfronten unempfindlicher und weniger anfĂ€llig fĂŒr SchĂ€den bedingt durch Wind und Wetter. In spĂ€terer Zeit setzten sich aber auch hier Techniken durch, die die Kirchen Ă€uĂerlich ansprechender werden lieĂen: so kalkte man zurĂŒckstehende WandflĂ€chen hĂ€ufig weiĂ ein, sodass ein Farbkontrast zum dunklen Backsteinmaterial entstand. AuĂerdem fertigte man spezielle Formsteine an, die eine bessere Nachahmung der Bauplastik ermöglichten.
AuĂer an Kirchenbauten und Klostern wurden die Formen der Backsteingotik auch an den gerade im norddeutschen Raum verbreiteten Schauseiten von RathĂ€usern , an Stadttoren und an BĂŒrgerhĂ€usern angewendet.
Der Stil der Backsteingotik verband sich schnell mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Hanse, so dass diese Architektur zum Symbol dieses machtvollen StĂ€dtebundes wurde. An die Backsteingotik schloss sich in einem gleitenden Ăbergang der Bauformen die Backsteinrenaissance an.
So findet man heute Backsteingotik in Deutschland hauptsĂ€chlich in den HansestĂ€dten Norddeutschlands, insbesondere in LĂŒbeck und Stralsund, deren AltstĂ€dte beide als FlĂ€chendenkmal zum Weltkulturerbe erklĂ€rt wurden, aber auch Wismar, Rostock und Greifswald sowie LĂŒneburg im nördlichen Niedersachsen sind reich an SchĂ€tzen dieser mittelalterlichen Bausubstanz. Herausragende Beispiele sind in:
Braunschweig
Bremen
Hamburg
LĂŒbeck
Heiligen-Geist-Hospital in LĂŒbeck |
Rathaus Stralsund rechts vorn |
Ostfassade von St. Marien in Greifswald |
Backsteingotik im Ostseeraum
Entsprechend findet sich Backsteingotik nicht nur in Norddeutschland sondern rund um die Ostsee .
DĂ€nemark
Beispiele in DÀnemark sind der Dom zu Aarhus, St. Knud in Odense und der Dom zu Roskilde , die Grabkirche der DÀnischen Könige.
Estland
Der Dom von Tartu und die St. Johanniskirche
Finnland
- Dom zu Turku
Lettland
Riga
- Dom zu Riga
- St. Petri
- und die Kirchen St. Jakobi, St. Johannes
- sowie das SchwarzhÀupterhaus
Litauen
Wilna
- Die Kirchen und das Schloss
Kaunas
- der Dom, die Gertrudenkirche
Trakai
- Wasserburg Trakai
Polen
Chelmno
Die Hauptkirchen und die Stadtmauer
Danzig
- Danziger Marienkirche
- Krantor
Krakau
Malbork
Die Ordensburg Marienburg ist der gröĂte Profanbau der Backsteingotik.
Stettin
Thorn
- Thorner Marienkirche
- das Rathaus und die Stadtmauern
Wroclaw
- Rathaus
- Marienkirche
Russland
- Königsberger Dom in Kaliningrad
- Ordensburgruine Balga
Schweden
- Der sĂŒdliche Teil Schwedens, Schonen , gehörte bis 1658 zu DĂ€nemark. Beispiele der Backsteingotik sind hier in
Malmö
- die Petrikirche
Helsingborg
- die Marienkirche
Ystad
- die Marienkirche
Die Neugotik des 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert erlebte die Backsteingotik durch die Neugotik nach den 60ger Jahren eine Renaissance, die sich dann in zahlreichen GebÀuden der wilhelminischen Zeit widerspiegelt. Ein wichtiger Bremer Architekt dieses Stils war Simon Loschen.
Neugotischer GroĂer Leuchtturm von 1854 in Bremerhaven von Simon Loschen |
Norddeutsche Heimatschutz-Architektur
Anfang des 20. Jahrhunderts nimmt der norddeutsche Heimatschutz als Stilrichtung der Architektur insbesondere in Schleswig-Holstein das Bauen in Backstein frei von neugotischer Verzierung, aber an traditionellen Vorbildern orientiert, neu auf. Villen in diesem Stil prÀgen den Einfamilienhausbau bis heute.
Literatur
- Angela Pfotenhauer, Backsteingotik, ISBN 3-936942-07-2
- Gottlob, Fritz (1907), Formenlehre der Norddeutschen Backsteingotik: Ein Beitrag zur Neogotik um 1900. Nachdruck der 2. Auflage (1999), Verlag Ludwig. ISBN 3-9805480-8-2
- Busjan, B.; Kiesow, G. (2002), Wismar: Bauten der Macht â Eine Kirchenbaustelle im Mittelalter. Monumente Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. ISBN 3-935208-14-6 (Bd. 2 der Gesamtausgabe der Ausstellungskataloge Wege zur Backsteingotik, ISBN 3-935208-12-X )
Weblinks
Commons: Backsteingotik â Bilder, Videos oder Audiodateien |
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